sábado, 11 de janeiro de 2014

Wer nicht hasst seinen Vater und seine Mutter

1. Es ging aber eine große Menge mit ihm; und er wandte sich um und sprach zu ihnen: Wenn jemand zu mir kommt undhaßtnicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein. Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein. So auch jeder unter euch, der sich nicht lossagt von allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein. (Lukas XIV, 25 ‐ 27, 33).

2. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. (Matthäus X, 37).

3. Bestimmte Worte, die übrigens sehr selten vorkommen, widersprechen in seltsamer Art den Worten Jesu Christi, so dass wir sie im literarischen Sinn unwillkürlich zurückweisen. Der Inhalt seiner Lehre leidet jedoch nicht darunter. Diese Worte wurden nach seinem Tod geschrieben; zu seinen Lebzeiten ist kein Evangelium geschrieben worden. Wir können annehmen, dass in diesem Fall der Sinn seiner Gedanken nicht gut wiedergegeben wurde, oder‐was nicht weniger wahrscheinlich wäre‐dass die ursprüngliche Bedeutung bestimmte Änderungen bei der Übersetzung erlitt. Es genügt, dass ein einziges Mal ein Fehler gemacht wird, um in den Nachdrucken den Fehler weiterzugeben, wie es häufig an historischen Fakten zu beobachten ist. 

Das Wort „Hass“in dem Satz von Lukas: „Wenn jemand zu mir kommt und haßt nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst ...“ ist einer dieser Fälle. Niemand könnte diesen Satz Jesu zuschreiben. Es ist dann überflüssig, den Satz zu diskutieren oder zu versuchen, ihn zu rechtfertigen. Es wäre zunächst notwendig zu wissen, ob Jesus diesen Satz ausgesprochen hat, und wenn ja, ob in der Sprache, in der er diesen Satz sprach, das Wort dieselbe Bedeutung hat wie in unserer Sprache. In dem Abschnitt bei Johannes: „Wer sein Leben lieb hat, der wirdʹs verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wirdʹs erhalten zum ewigen Leben“ ist es offensichtlich, dass es nicht dieselbe Bedeutung hat, die wir ihm zuschreiben.

Die hebräische Sprache war nicht sehr reich und viele ihrer Wörter haben doppelte Bedeutungen. Das ereignet sich zum Beispiel mit dem Wort in der Genesis, das die Phasen der Schöpfung beschreibt. Es dient gleichzeitig dazu, eine Zeitspanne sowie die Tageszeit auszudrücken. Daher erschien in der Übersetzung der Begriff„Tag“ und später entstand der Glaube, die Welt wurde in sechsmal vierundzwanzig Stunden („Tagen“) erschaffen. Dasselbe geschah auch mit den Worten„Kamel“und„Seil“,da die Seile früher aus Kamelhaaren geflochten wurden. Der nämliche allegorische Sinn ist im Gleichnis von der Gefahr des Reichtums zu finden. (*)

Es ist auch notwendig, auf die Gewohnheiten und die Merkmale eines Volkes zu achten, welche die Eigenschaft einer Sprache beeinflussen. Ohne diese Kenntnisse vermischt sich die wahre Bedeutung bestimmter Wörter. In zwei verschiedenen Sprachen kann derselbe Begriff eine mehr oder weniger wichtige Bedeutung haben. Er kann in einer Sprache eine Beleidigung oder eine Verhöhnung sein und unbedeutend in einer anderen, entsprechend der Vorstellung, die man damit verknüpft. Manche Wörter verlieren außerdem in derselben Sprache im Laufe der Jahrhunderte ihre Wichtigkeit. Aus diesem Grund gibt manch wortwörtliche Übersetzung nicht immer den genauen Sinn wieder. Um den genauen Gedanken zu übersetzen, ist es zuweilen notwendig, nicht die laut Wörterbuch entsprechenden Wörter, sondern periphrastische Wörter oder Umschreibungen zu verwenden.

Diese Bemerkungen finden besondere Anwendung in den Interpretationen der Heiligen Schrift und insbesondere der Evangelien. Wenn man nicht das Umfeld, in dem Jesus gelebt hat, berücksichtigt, ist man der Gefahr ausgesetzt, sich hinsichtlich der Bedeutung bestimmter Ausdrücke und Fakten zu irren, weil man die Angewohnheit besitzt, die anderen mit sich selbst gleichzusetzen. Jedenfalls ist es notwendig, das Wort„Hass“nicht in seiner heutigen Bedeutung zu verwenden, die dem Geist und der Lehre Christus widersprechen würde.

- Allan Kardec.

(*) „Non odit“ im Lateinischen und „Kaï“ oder „miseï“ aus dem Griechischen bedeuten nicht „hassen“, sondern „wenig lieben“. Was das griechische Verb „miseïn“ ausdrückt, wird noch deutlicher an dem hebräischen Verb, das Jesus benutzt haben dürfte. Dieses Verb bedeutet nicht nur „hassen“, sondern auch „weniger lieben“ oder „ nicht genauso lieben, wie den anderen “. Im syrischen Dialekt, den Jesus angeblich häufiger gebraucht hat, wird diese Bedeutung noch stärker betont. Es ist auch in diesem Sinne zu verstehen, dass in der Genesis (erstem Buch Moses) steht: „So ging Jakob auch bei Rachel ein und hatte Rachel lieber als Lea; (...) Als aber der Herr sah, dass Lea ungeliebt war, machte er sie fruchtbar; ...“ (siehe Kap. XXIX, 30‐31) Es ist ersichtlich, dass der wahre Sinn des Wortes „ungeliebt“ in diesem Satz „weniger geliebt“ bedeutet; so sollte es übersetzt werden. In vielen anderen hebräischen und hauptsächlich syrischen Passagen wird dasselbe Verb im Sinne von „nicht so lieben wie den anderen“ übersetzt. Es wäre sinnwidrig, es mit „hassen“ zu übersetzen, dem eine ganz andere Bedeutung zugeordnet wird. Der Text von Matthäus erklärt übrigens jene Schwierigkeit. (Originalanmerkung von Herrn A. Pezzani.)


Auszug aus dem Kapitel XXIII - Seltsame Moral - aus dem Buch „Das Evangelium im Lichte des Spiritismus“ - Allan Kardec.

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